Wo sind meine Kinder?

Ein normaler Sonntagmorgen. Wir machen uns fertig zur Kirche zu fahren. Dort angekommen liefern wir unseren Jüngsten bei der Katechismusklasse ab und gehen auch selbst so langsam ins Gotteshaus. Die meisten Bänke sind noch frei, aber wir wissen, dass das nicht mehr lange so sein wird. Deshalb reservieren wir immer ein paar Sitzplätze für unsere Kinder wenn diese etwas später ankommen, oder vom Unterricht hereintrödeln. Als Mutter sitze ich gerne umgeben von meiner Familie in der Kirche. Es freut mich meine Kinder um mich zu haben wenn wir den Gottesdienst feiern; vielleicht können sie mir das ja nachfühlen. Bereits ein paar Minuten später füllen sich die Reihen und mein Mann muss immer wieder Anfragen nach den Sitzplätzen abwehren. Nach dem Rosenkranzgebet ist die das Gotteshaus nun proppevoll. Der Organist fängt an zu spielen, der Chor beginnt zu singen, die Glocke läutet und endlich gibt es auch mein Mann auf die Plätze neben uns frei zu halten; ein junges Pärchen setzt sich. Die Heilige Messe beginnt, nur: „Wo sind meine Kinder?“

Aus heiterem Himmel fange ich an zu weinen. Die Tränen strömen nur so über meine Wangen. Was ist denn jetzt mit mir los, denke ich mir. Klar, ich vermisse meine Kinder neben mir, aber ich weiß, dass sie irgendwo hier in der Kirche sind – kein Weltuntergang also. Aber der Schwall der Trauer lässt nicht nach, anstatt dessen wird es nur noch schlimmer. Ein tiefer Schmerz breitet sich um mein Herz herum aus; ja, es sind fast schon körperliche Schmerzen. Nach einer kurzen Weile wende ich mich kniend unserem Herrn zu. Ich frage ihn ob er denn wisse was mit mir los sei. Scheinbar postwendend bekomme ich eine Antwort von oben; er wirft mir die gleiche Frage vor die Füße zurück: „Wo sind meine Kinder?“

Mir fällt es nun wie Schuppen von den Augen. Die tiefe Sehnsucht nach seinen Liebsten, die Nähe nach der man sich so sehr sehnt, die Vorfreude auf ein Wiedersehen, wenn das Herz Freudensprünge macht – und dann kommt niemand. Das erinnert mich an ein Buch das ich vor einigen Jahren gelesen haben: „Consoling the Heart of Jesus“ von Father Michael Gaitley. Darin geht es darum wie man das Herz Jesu trösten kann. In diesem Buch schreibt der Priester (und ich übersetze hier frei): „Kein Wunder, dass das unseren Herrn verletzt… Er kommt zu uns in der Eucharistie, dem Sakrament der Liebe, so dass die Menschen ihn liebevoll empfangen können, aber keiner tut es. Geht doch in die Kirchen, schaut hinein, dann wisst ihr was los ist.“ Das Herz schmerzt qualvoll, die Einsamkeit macht sich breit, man fühlt sich verlassen und eine tiefe Traurigkeit des vergessen werdens greift um sich. Es scheint, als ob Jesus mir an diesem Sonntag einen flüchtigen Einblick in sein Leiden gewährt. Und obwohl die Tränen auf meinen Wangen langsam trocknen, scheint Jesus immernoch zu rufen: „Wo sind meine Kinder?“

Ich sage ihm, dass ich alles tun werde was in meiner mickrigen Macht steht seine Kinder zu erreichen. Ich verspreche ihm bis Weichnachten jeden Tag einen Blog-Beitrag zu schreiben; auch wenn diese vielleicht nie von jemandem gelesen werden. Ich sage ihm auch, dass ich keine Antwort auf seine Frage habe, was natürlich gelogen ist – und so habe ich schon wieder gesündigt. Aber wer würde es denn übers Herz bringen mir als wartenden Mutter zu sagen, dass ihre Kinder Besseres zu tun haben, oder sich anderswo vergnügen? Die Wahrheit tut so weh und ich bringe nicht über die Lippen was unser Herr natürlich sowieso bereits weiß, dass sein schmerzendes Herz wohl im Moment nicht von uns getröstet wird. Solange die Menschen die weltlichen Vergnügen anbeten, die materialistischen Güter dem Himmel vorziehen sind wir alle wohl eher überhebliche Anbeter Seiner, so wie das der Heilige Louis de Montfort ausdrücken würde. Wie maßen es uns an uns selbst als Gläubige zu betiteln aber schwelgen uns gleichzeitig in der Sünde. Wenn wir jedoch wenigstens noch das wären, denn viele halten nicht einmal mehr diesen Vorwand aufrecht. Sie wollen ganz einfach nichts mehr mit Gott am Hut haben.

Und so schmerzt das Herz weiterhin und die Frage bleibt bestehen: „Wo sind meine Kinder?“